Jahrgänge
1990-1999
Geschichte:
1990: Nicht nur für die Deutschen, sondern für ganz Osteuropa war das Jahr ein Wendepunkt in der Geschichte. Während in der Sowjetunion einzelne Staaten ihre Unabhängigkeit und ihre Abkehr vom diktatorischen Regime des Kommunismus verwirklichten, wurden die beiden deutschen Staaten wieder ein gemeinsames Land, das am 3. Oktober seine Wiedervereinigung beging. Hoffnungen und unzählige
Veränderungen seitens des Ostens, Freude, gepaart mit Skepsis auf der Westseite. Die Menschen mussten sich neu kennen lernen. Inzwischen hatte seit dem 1. Juli die DM auch den Osten erreicht. Ungleiche Lohnanpassungen, volle Schaufenster und wenig Kaufkraft dämpften die erste Euphorie ein. Doch in allem überwog die Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben in einem ungeteilten Land und in einer endlich nicht mehr geteilten Hauptstadt Berlin.
Im März wurde Michail Gorbatschow zum Präsidenten der UdSSR gewählt und in der noch vorhandenen DDR gab es die erste frei gewählte Volkskammer, deren Bestehen jedoch durch die Vereinigung im Herbst nicht von langer Dauer war. Lothar de Maizière wurde zum ersten und letzen DDR-Ministerpräsidenten gewählt. Im Juni wurde der endgültige Abriss der Mauer in Angriff genommen und der der Grenzübergangsstellen. An 2. Dezember wurde bei der gesamtdeutschen Bundestagswahl Helmut Kohl als Kanzler erneut bestätigt.
1991: In Moskau kam es im August zu einem Putsch, bei dem der Staatspräsident Michail Gorbatschow abgesetzt wurde. Funktionäre der KPdSU waren mit seiner Reformpolitik nicht einverstanden, sie versuchten die Macht im Land wiederzuerlangen. Die Unabhängigkeit einzelner Republiken, die Gorbatschow befürwortet hatte, bereitete ihnen ebenfalls Sorge. Doch all das führte letztendlich zum Zerfall des sowjetischen Staatenbündnisses. Die entstandene Russische Förderation wurde von Boris Jelzin regiert. Gorbatschow trat am 21. Dezember von seinen Ämtern zurück.
Das Jahr 1991 war das endgültige Aus für das Bestehen der Sowjetunion. Einige Nachfolgestaaten bestanden als Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) weiter, einer Vereinigung, die von Russland, der Ukraine und Weißrussland gegründet worden war und der noch weitere unabhängige Republiken angehörten. Vor allem die gemeinsame Basis für Wirtschaft und Sicherheit war der Auslöser für die Gründung der GUS. Der grundlegende Wandel, der sich im Ostblock vollzog, hatte bereits im März zur Auflösung des sozialistischen Militärbündnisses, des Warschauer Paktes, geführt. Der Zweite Golfkrieg, der bereits im August des Vorjahres begonnen hatte, konnte durch das Eingreifen der USA beendet werden und führte zur Befreiung Kuwaits. Die Auswirkungen für Deutschland? Der Karneval fiel aus.
1992:
1993: Während die Länder des ehemaligen Jugoslawiens ihre Souveränitätskämpfe in blutigen Massakern austrugen, wurde eigens für die dortigen Kriegsverbrecher das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gegründet. Friedlich hingegen ging bei der Neubildung von Tschechien und der Slowakei vonstatten. Die Auflösung der einstigen Tschechoslowakei war seit dem 1. Januar eine beschlossene Sache. Ebenfalls im Januar trat der neu gewählte US-Präsident Bill Clinton sein Amt an und löste George H. W. Bush, senior ab. Im Herbst wurde die Europäische Union (EU) durch das Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht wirtschaftliche Realität. Bis heute gehören diesem Staatenbund mehr als eine halbe Milliarden Menschen aus 27 Ländern an. Ein gemeinsamer Binnenmarkt und ein verbündetes Auftreten gegenüber Drittländern wurden vertraglich verankert. In den Folgejahren sollte es auch eine gemeinsame Währung geben. In Deutschland hatte die Neuaufteilung der Bezirke im Ostteil des Landes zur Wiedereinführung der Länder geführt, wie es sie vor dem Bestehen der DDR gab. Die gewachsene Bundesrepublik führte in der Folge in diesem Jahr neue Postleitzahlen ein. Diese waren auf eine fünfstellige Zahl angewachsen.
1994: In Südafrika hatte der Kampf der Schwarzen zum Sieg geführt. In der am 27. April in Kraft tretenden Verfassung wurde das Ende der Apartheid besiegelt und allen Menschen, unabhängig von ihrer Hautfarbe und Rassenzugehörigkeit Gleichheit zugestanden und ebenfalls das Wahlrecht. Wenige Tage später wurde Nelson Mandela zum ersten schwarzen Präsident Südafrikas gewählt. Drei Jahre zuvor war er aus dem Gefängnis entlassen worden, in dem er seit 1964 eingesessen hatte wegen seines Kampfes um die Rechte schwarzer Mitbürger. 1993 war er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. In Schwarzafrika, das die Länder südlich der Sahara umfasst, machten die Stammeskämpfe der Tutsi und der Hutu Schlagzeilen. Bei diesem Völkermord, der als das Massaker von Nyarubuye in die Geschichte einging, ermordeten die Hutus etwa eine Million Tutsis. Der Sport war gleich zu Beginn des Jahres von einem tragischen Ereignis überschattet. Ulrike Meier, die zweifache Weltmeisterin im Super-G, stürzte am 29. Januar in Garmisch-Partenkirchen bei der Kandahar-Abfahrt und starb an ihren Verletzungen. Tausende Zuschauer vor den Bildschirmen hatten den Unfall live miterleben müssen. Und bei der Formel-1 im italienischen Imola fanden der Rennfahrer Roland Ratzenberger während des Trainings und der dreifache Weltmeister Ayrton Senna während des Rennens den Tod. Glorreich war hingegen die Verfilmung des Holocaust-Dramas „Schindlers Liste“ von Steven Spielberg. Der Film erhielt sieben Oscars.
1995: Es begann das Internationale Jahr des Gedenkens an die Opfer des Zweiten Weltkrieges. Die gegenwärtige Welt war noch längst nicht friedlich. Im Juli ging die militärische, serbische Eroberung in Bosnien und Herzegowina weiter. Als Massaker von Sebrenica kam diese Eroberung der UN-Schutzzone in die Schlagzeilen. Im August griff die NATO mit der Operation Deliberate Force in den Bosnienkrieg ein. Der amtierende Ministerpräsident Jitzchak Rabin, eine der wichtigsten Persönlichkeiten, die den Friedensprozess zwischen Israel, Palästina und den arabischen Nachbarländer voranzubringen bemüht war, wurde am 4. November auf einer Kundgebung von einem rechtsextremistischen jüdischen Fundamentalisten angeschossen. Rabin verstarb am selben Tag. Zwei Tage nach dem Attentat erwiesen Staatsmänner und Politiker dem Ermordeten das letzte Geleit. Sie waren aus 40 Nationen angereist.
In München ging die sogenannte Biergartenrevolution friedlich vonstatten. Lokalpolitiker und Mitglieder der Wirtschafsverbände hatten sie zusammen mit den Medien initiiert, um die vorgezogenen Sperrstunden für die Biergärten zu verhindern. Chaotisch ging es dagegen in Hannover zu. Die Randale, Geschäftsplünderungen und die Straßenschlachten, die von mehr als 2000 Beteiligten verursacht wurden, haben sich als Chaostage ins Gedächtnis gebrannt.
1996: Sechs Jahre nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wurde vom Bundesverfassungsgericht ein schwerwiegendes Urteil gefällt. Die Enteignungen von Grundbesitz, die in den Jahren 1945 bis 1949 in der sowjetischen Besatzungszone vorgenommen worden waren, waren nun im Sinne des 1990 geschlossenen Einigungsvertrages nicht mehr rückgängig zu machen.
Spektakulär war am 22. Februar die Auslieferung des milliardenfach verschuldeten Immobilienspekulanten Jürgen Schneider, den die USA an Deutschland auslieferte.
Erstmals glückte am schottischen Roslin Institut das Klonen eines Säugetiers. Das Schaf, das von einem britischen Embryologen Ian Wilmut auf diese Weise geschaffen wurde, machte als Dolly widersprüchliche Schlagzeilen. Den Wettkampf Mensch kontra Technik gewann der Schachcomputer „Deep Blue“, der den Russen Garry Kasparow in einer Partie bezwang, die unter Turnierbedingungen stattfand. Ein Sieg ohne technische Hilfsmittel gelang dem Stürmer Oliver Bierhoff, der mit dem ersten Golden Goal Deutschland zum dritten Europameistertitel gegen Tschechien im Endspiel der Fußballeuropameisterschaft verhalf. Seinen letzten Kampf in der Profi-Karriere bestritt der bis dahin ungeschlagene IBF-Weltmeister im Halbschwergewicht Henry Maske. Er verlor ihn gegen Virgil Hill knapp nach Punkten. Maskes Boxstil und sein formvollendetes Auftreten in der Öffentlichkeit hatten dem Boxsport einen neuen Boom beschert und Maske selbst den Namen „Gentleman“ eingebracht.
1997: Im Sommer waren die 99 Jahre Pacht abgelaufen, die im Jahre 1842 zwischen den Unterhändlern der britischen Krone und dem chinesischen Kaiser ausgehandelt und 1843 Bestand des Vertrages von Nanking geworden waren und die Hongkong unter der Kolonialherrschaft Großbritanniens zugebracht hatte. Großbritannien gab Hongkong wieder an China, ohne auf seinen weiteren Anspruch zu bestehen, der ebenfalls im Vertrag ausgehandelt worden war. China übernahm am 1. Juli die Hoheit über Hongkong, gewährte aber eine weitgehende Autonomie. Als der international renommierte Modedesigner Gianni Versace am 15. Juli sein Haus in Miami Beach betreten wollte, ahnte er nicht, dass er von dem gesuchten Serienmörder Andrew Phillip Cunanan verfolgt worden war, der ihn dann erbarmungslos durch zwei Kugeln in den Kopf ermordete. Wenige Tage erschoss sich dieser in einem Hotelzimmer. Nicht nur durch die britische Öffentlichkeit ging ein Aufschrei des Entsetzens, als am 31. August der Tod Dianas, der Princess of Wales, von den Medien verkündet werden musste. Die Prinzessin der Herzen war in Paris bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Die Gemahlin des britischen Thronfolgers, Prinz Charles, wurde am 6. September beigesetzt. Das tragische Unglück war ein Medienereignis von einem Ausmaß, wie es die Welt zuvor noch nicht erlebt hatte. Die TV-Übertragung sahen nach geschätzten Angaben etwa 2,5 Milliarden Menschen.
1998: In den USA wurde auf einer Webseite das Gerücht verbreitet, US-Präsident Bill Clinton sei in eine Sex-Affäre mit einer Praktikantin verstrickt. Als diese Spekulationen kurze Zeit danach in der „Washington Post“ zu Schlagzeilen wurden, war die sogenannte Lewinsky-Affäre über lange Zeit in den amerikanischen Medien beherrschendes Thema. Ein Amtsenthebungsverfahren für das kommende Jahr wurde angestrebt. In Deutschland wurde die terroristische Vereinigung RAF, Rote Armee Fraktion, endgültig aufgelöst. Nahmen die Deutschen diesen Akt noch mit Zuspruch hin, so wurde hingegen die am 1. August in Kraft getretene neue Rechtschreibreform unter Vorbehalt hingenommen. Die Notwendigkeit dieser Reform stieß anfangs sogar auf große Ablehnung. Doch gravierender waren die politischen Ereignisse in Deutschland. Am 27. Oktober wurde Gerhard Schröder zum neuen Bundeskanzler gewählt. Damit waren 16 Jahre Helmut-Kohl-Regierung zu Ende. Durch die Niederlage der CDU bei der Bundestagswahl kam es zur ersten rot-grünen Koalition in der Bundesrepublik.
Die Franzosen als Gastgeberland der Fußballweltmeisterschaft hatten Grund zum Jubeln. Sie gewannen den Weltmeistertitel zum ersten Mal durch ein 3:0 gegen den Titelverteidiger Brasilien. Der Finne Mika Häkkinen jubelte gleichfalls, denn er wurde zum ersten Mal Sieger und damit Weltmeister der Formel-1.
1999: Das angestrebte Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsidenten Bill Clinton wegen Meineids in der Lewinsky-Affäre begann am 7. Januar. Wenige Tage später wurde Clinton der Vorwürfe enthoben, denn es kam keine Zweidrittelmehrheit zustande, die für einen Schuldspruch nötig gewesen wäre. Clinton blieb im Amt. Ebenfalls zu Beginn des Jahres bekannte sich der Gründer und Anführer der terroristischen Vereinigung al-Qaida, Osama bin Laden, zu den Bombenanschlägen, die auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam verübt worden waren. In elf Ländern der Europäischen Union wurde der Euro eingeführt, zunächst als Buchgeld. In Bar bekamen ihn die Menschen erst drei Jahre später in die Hand. Der Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin erreichte mit dem Einzug des Bundestages ins Berliner Reichtagsgebäude seinen Höhepunkt. Über Deutschland und Europa, ebenso wie in Westasien war am 11. August eine beeindruckende, totale Sonnenfinsternis zu beobachten, ein Ereignis, das so recht zum Abschlussjahr des Jahrzehnts, des Jahrhunderts und des Jahrtausends passte. Das Millennium war schon im Vorfeld Grund für diverse Zukunftsspekulationen, von denen sich aber beispielsweise der Computerzusammenbruch großen Ausmaßes nicht bewahrheiten sollte.
Quelle: http://www.was-war-wann.de