Jahrgänge
1920-1929

Geschichte:

1920: Fast zwei Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges herrschte in den deutschen Städten noch keine Friedensruhe. Soldaten und Arbeiter waren wütend und verunsichert. Der Versailler Friedensvertrag fand in weiten Kreisen der Bevölkerung keine klare Zustimmung. Besonders die nun in Freicorps organisierten Soldaten lehnten die Entwaffnung ab. Im Münchner Hofbräuhaus wurde im Februar die NSDAP gegründet. Der Begriff „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ ließ viele glauben, dass sie in dieser Organisation ihre politische Heimat gefunden hätten. Auf einer öffentlichen Parteiversammlung in München war Adolf Hitler als Redner angekündigt worden. Die Partei hatte sich eindeutig gegen den Versailler Friedensvertrag ausgesprochen und der Zulauf war groß. Sozialdemokratische Kräfte sahen derart kurz nach Kriegsende eine neue, eine braune Gefahr heranwachsen. Nicht vorhersehbar war dagegen die Katastrophe, die sich in China ereignete. Mit einer Stärke von 8,6 wurde in der Provinz Ningxia die Erde erschüttert. Das Beben löschte etwa 200.000 Menschenleben aus. Fast unbemerkt vollzog sich die Heiligsprechung der französischen Nationalheldin Jeanne d’Arc, die im Jahre 1431 als Ketzerin auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war. Ihr Verbrechen bestand letztendlich darin, dass sie für ihr Vaterland gegen die Engländer zu Felde gezogen war.


1921: Das neue Jahr begann mit einem spektakulären Kunstraub. Rembrandts Gemälde „Abziehendes Gewitter in Herbstlandschaft“, dessen Wert damals auf 2 Millionen Reichsmark geschätzt wurde, verschwand aus dem Kontor einer Hamburger Privatbank. Aufsehen erregte zu Jahresbeginn auch eine Filmpremiere in New York. Charlie Chaplin verkörperte die Hauptrolle in dem tragikkomischen Stummfilm „The Kid“. In Salzburg und in Tirol votierten die Menschen bei einer Volksabstimmung für den Anschluss an das Deutsche Reich. Zu einer Realisierung eines solchen Anliegens kam es allerdings nicht. Am 18. März wurde der russische Matrosenaufstand in Kronstadt von den Bolschewiki gewaltsam niedergeschlagen. Am selben Tag kam es in Riga zur Unterzeichnung eines Friedensvertrages, der den Polnisch-Sowjetrussischen Krieg beendete. In China formierte sich die Kommunistischen Partei und in Deutschland wurde Adolf Hitler zum Vorsitzenden der NSDAP gewählt. Ausgestattet mit diktatorischen Machtbefugnissen warb er für die Durchsetzung seiner politischen Ziele – wenn nötig mit Gewalt. Einen Vorgeschmack auf Tod und Zerstörung bekam man in der Gemeinde Oppau bei Ludwigshafen, als bei einer Explosion im BASF-Stickstoffwerk mehr als 500 Menschen getötet wurden und 7500 Menschen ihr Obdach durch die Wucht der Detonation verloren.


1922: Das neue Jahr begann mit einer Papstwahl. Nach dem Tod von Benedikt XV. wurde der Erzbischof von Mailand, Kardinal Ratti, zum neuen Kirchenoberhaupt gewählt. Unter dem Namen Pius XI. trat er sein Amt an. Die Kommunistische Partei der Sowjetunion wählte ebenfalls. Josef Stalin wurde ihr Generalsekretär. Kurze Zeit später kam es zwischen Russland und Deutschland zur Unterzeichnung des Vertrages von Rapallo. Hierin verzichteten beide Staaten auf den Ersatz der Kriegskosten und der Kriegsschäden. Trotz aller Machtbefugnisse, die Adolf Hitler in der NSDAP zugestanden worden waren, hatte er in diesem Jahr den Bogen überspannt. Seiner aufrührerischen Äußerungen wegen musste er eine vierwöchige Haftstrafe antreten. Von großer Tragweite war die offizielle Gründung der Sowjetunion. Historisch bedeutsam war auch der Fund des britischen Ägyptologen Howard Carter. Er entdeckte das Grab des Pharaos Tutanchamun. Für den Reichsaußenminister Walter Rathenau war das Jahr verhängnisvoll. Er wurde von den Nationalsozialisten am 24. Juni ermordet. Der Text des Deutschlandliedes, das Reichspräsident Friedrich Ebert zur Nationalhymne des Deutschen Reiches erklärte, hatte bereits einen bitteren Beigeschmack: „Deutschland, Deutschland über alles...“


1923: Das gesamte Ruhrgebiet litt seit zwei Jahren unter der belgisch-französischen Besatzungsmacht. Inzwischen waren nahezu 100.000 Soldaten in dieser Region präsent, wobei die Pfändung der Kohleproduktion nur ein Vorwand war, um andere, politische Ziele zu verschleiern. Von jeglicher Besetzung ausgenommen war ein Gebiet, dass derweil um einen autonomen Status kämpfte und von 1919 bis zum Februar 1923 seiner geographischen Form wegen als Freistaat Flaschenhals existierte. Danach versank die Mikro-Nation im geschichtlichen Vergessen. Die beiden gegensätzlichen Parteien, NSDAP und KPD, wurden verboten. Dessen ungeachtet rief Kemal Atatürk die Republik Türkei aus, als deren Hauptstadt Ankara bestimmt wurde. In Deutschland, wo ein Kilogramm Brot bereits 233 Milliarden Reichsmark kostete, versuchte Hitler in München durch einen Putsch die Macht zu übernehmen und in Italien begründete Guccio Gucci sein Modeunternehmen, das Weltruhm erlangte. Im wahrsten Sinne erschütternd waren die Erdbeben in China und im Iran, die jeweils Tausende Menschenleben forderten. In Japan rissen verheerende Erdstöße etwa 140.000 Menschen in den Tod. Der französische Ingenieur Gustave Eiffel erlebte das Ende des Jahres auch nicht mehr. Er starb am 28. Dezember und hinterließ das berühmteste Wahrzeichen von Paris – den Eiffelturm.


1924: Das Jahr begann mit der Gründung der Großdeutschen Volksgemeinschaft, einer Organisation, die aufgrund des Verbotes der NSDAP zustande kam. Der wegen seines Putschversuches und wegen Hochverrates verurteilte Adolf Hitler kam in dem Prozess „mit einem blauen Augen“ davon. Seine Anhängerschar wurde größer und er selbst wurde noch am Ende Jahres aus der Festungshaftanstalt Landsberg am Lech entlassen. Ein zum Tode verurteilter Gefangener kam in den USA nicht so ungeschoren davon. An ihm wurde in Carson City zum ersten Mal ein Todesurteil in einer Gaskammer vollstreckt. Wladimir Iljitsch Lenin, der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, starb am 21. Januar. Der Gründer der UdSSR hatte damit der politischen Karriere Stalins den Weg freigemacht, dem Parteiführer und Mitkämpfer, vor dessen Skrupellosigkeit er immer wieder umsonst gewarnt hatte. Einen friedlichen, einen sportlichen Zweck hatte die sogenannte Hitzeschlacht von Colombes. Dieses Querfeldeinrennen fand innerhalb der VIII. Olympischen Spiele in Paris statt. Nur 15 von 38 Teilnehmern schafften bei 45 Grad Celsius den Zieleinlauf. Der Finne Paavo Nurmi gewann die Goldmedaille. Der technische Fortschritt konnte in Berlin bestaunt werden. Am 2. Dezember wurde zum ersten Mal die Funkausstellung eröffnet.


1925: Längst kein kleines politisches „Licht“ mehr, bestimmten Hitlers Aktivitäten das Jahr. Zwei Jahre nach ihrem Verbot wurde in München die NSDAP neu gegründet. Bei der Gründungsveranstaltung trat Hitler nach seiner Haftentlassung erstmals wieder öffentlich auf. Die Partei erfuhr eine landesweite Organisation. Kurz darauf kam es zur Gründung der Schutzstaffel der NSDAP, deren Bezeichnung „SS“ bald in aller Munde war. Sie diente zunächst Adolf Hitler als Leibwache, entwickelte sich aber später zu einer zusätzlichen militärischen Organisation. Hitlers Aktivitäten verfolgten immer deutlichere Ziele. Im April ersuchte er um die Entlassung aus seiner österreichischen Staatsbürgerschaft. Die wurde ihm gewährt. Im Sommer veröffentlichte er sein Buch „Mein Kampf“. In einigen Städten Deutschlands waren seine Reden noch verboten, aber in Braunschweig stellte er im November mit seiner ersten großen Rede seine Suggestivkraft unter Beweis. Derweil wurde die chinesische Provinz Yunnan von einem schweren Erdbeben heimgesucht, das 5000 Menschen das Leben kostete. In den USA war es ein Tornado, der 2000 Menschen den Tod brachte und 6500 Menschen mit schweren Verletzungen zurückließ. Nicht weltweit, aber von den Berlinern wahrgenommen wurde das erste Rätsel, dass in Kreuzform in der BIZ, der „Berliner Illustrierten Zeitung“ erschien.


1926: Unglaublich, aber wahr – im Februar beschloss die Regierung der Türkei, das Haremssystem und die Polygamie abzuschaffen und das wesentlich fortschrittlichere Zivilgesetzbuch der Schweiz, das ZGB, zu übernehmen. Ebenfalls im Februar präsentierte sich Berlin mit einer Neuerung. Die erste „Grüne Woche“ öffnete ihr Ausstellungspforten, allerdings vorerst auf nationaler Ebene. Berlin hatte noch ein As im Städte-Ärmel: Anlässlich der 3. Funkausstellung konnte der Funkturm seiner Bestimmung übergeben werden. Seine Stahlfachwerkkonstruktion erinnert an den Pariser Eiffelturm. Heute steht der Berliner Funkturm unter Denkmalsschutz. Ihren Sitz in Berlin hatte auch die neu gegründete DAIMLER-BENZ AG, die ein Zusammenschluss der Daimler-Motoren-Gesellschaft mit der Rheinischen Gasmotorenfabrik Mannheim „Benz & Cie“ war. Um einen Zusammenschluss in Sachen Frieden und Neutralität bemühten sich die UdSSR und Deutschland. Sie schlossen einen Freundschaftsvertrag, der als Nachfolger des Rapallo-Vertrages galt, aber keine wesentlichen Neuerungen fixierte. Deutschland wurde in den sich um einen dauerhaften Frieden bemühten Völkerbund aufgenommen. Einstimmig. Die amerikanische Schwimmsportlerin Gertrude Ederle ging als erste Frau in die Sportgeschichte ein, weil sie den Ärmelkanal durchschwamm. Sie benötigte 14,5 Stunden, eine Zeit, die die des bisherigen Weltmeisters übertraf. Am 29. Dezember starb einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dichter: Rainer Maria Rilke.


1927: Begeistert nahmen Bewohner und Reisende die Eröffnung des Hindenburgdammes auf, der noch heute das Festland Schleswig-Holsteins mit der Insel Sylt verbindet. Der Damm, der in einer vierjährigen Bauzeit ausschließlich für den Eisenbahnverkehr erreichtet worden war, hatte eine Länge von 11,3 Kilometern. Heute ist er aufgrund von Eindeichungs- und Landgewinnungsmaßnahmen nur noch etwa 9 Kilometer lang. Charles Lindbergh kam ohne einen Damm zu überqueren von New York nach Paris. Er schaffte die Strecke in einem Alleinflug und ohne Zwischenlandung mit einer einmotorigen Maschine und ging damit in die Fluggeschichte ein. Unter großem Jubel wurde die Einweihung des Nürburgringes gewürdigt, der Rennstrecke, die es schnell zu einem internationalem Renommé gebracht hat. Berühmt in Sachen Musik ist bis heute der Internationale Chopin-Wettbewerb, der 1927 erstmals in der Warschauer Nationalphilharmonie stattfand und der jungen Pianisten immer noch als Sprungbrett in die Konzertsäle der Welt dient. Eine Katastrophe riesigen Ausmaßes füllte im selben Jahr die Schlagzeilen: Im chinesischen Qinhai ereignete sich ein Erdbeben der Stärke 7,9 und brachte etwa 200.000 Menschen den Tod. Glimpflicher ging es im Sport zu, als der deutsche Schwergewichtsboxer Max Schmeling in Dortmund seinen ersten Europameistertitel gewann.


1928: Die Moderne erreichte Westafrika: In Sierra Leone wurde am 1. Januar die Sklaverei gesetzlich beendet. Seinen ohnehin modernen Status untermauerte Berlin durch die Eröffnung des Luxuskinos Titania-Palast. Nach späterer Fremdnutzung und einer Total-Restaurierung zeigt das denkmalgeschützte Traditions-Kino heutzutage wieder Filme. Berühmt für seine Luftschiff-Polarfahrten war 1928 bereits der Italiener Umberto Nobile. Mit seiner „Italia“ stürzte er jedoch bei seiner zweiten Fahrt ab, die Besatzungsmitglieder waren verschollen, konnten aber später gerettet werden. Roald Amundsen war ebenfalls zur Rettung in die Arktis unterwegs gewesen, verunglückte dabei mit seinem Flugboot. Seine Mannschaft und er konnten nicht mehr lebend geborgen werden. Besser erging es dem Berliner Droschkenkutscher Gustav Hartmann. Um seinen Protest gegen die Zunahme der Automobile auf den Straßen und dem Untergang des Droschken-Taxigewerbes auszudrücken, fuhr er am 2. April von Berlin nach Paris, wo er am 4. Juni ankam. Er ging als der „Eiserne Gustav“ in die Geschichte ein, auch in die Literaturgeschichte, denn Hans Fallada hielt das Ereignis in seinem gleichnamigen Roman fest. Geschichte schrieb auch die Uraufführung der „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht. Mit der Musik von Kurt Weill wurde sie weltberühmt, fast so wie die Micky Maus, die Walt Disney im selben Jahr kreierte.


1929: Papst Pius XI. sicherte sich am 11. Februar seinen geografischen Stellvertreter-Platz auf Erden in Schriftform. Er schloss mit dem faschistischen Ministerpräsidenten Benito Mussolini die sogenannten Lateranverträge ab, worin die Vatikanstadt zum eigenständigen Staat als italienische Enklave erklärt wurde. Vatikanstaat wurde so zu einer Wahlmonarchie, in der der jeweilige Papst, der zugleich Bischof von Rom war, als Staatsoberhaupt regieren würde. In Nürnberg wurde derweil „Tempo“ als Warenzeichen für das von den Vereinigten Papierwerken hergestellte Taschentuch eingetragen. Es kommt vor, dass man keins bei sich hat, aber den Name kennt jeder. Er ist zum allgemeinen Synonym für ein Papiertaschentuch geworden. Der Kampf gegen Drogen war bereits in den Zwanzigern ein brisantes Thema. 1929 trat das Opiumgesetz in Kraft, dass auch Cannabis verbot. Aus diesem Erlass entwickelte sich das heutige Betäubungsmittelgesetz. Hochspannung pur – am 17. April wurde die Nord-Süd-Leitung in Betrieb genommen, die weltweit erste mit 220 kV gespeiste Verbundleitung. Trotz der beginnenden Weltwirtschaftskrise, die an der New Yorker Börse am 24. Oktober mit dem Schwarzen Donnerstag begann, ging der wissenschaftliche Fortschritt weiter. Der Mediziner Werner Forßmann veröffentlichte seine Selbstversuchs-Erkenntnisse, die ihn zum Erfinder des Herzkatheters machten, eine Untersuchungsmethode, die noch heute zum Einsatz kommt.


Quelle: http://www.was-war-wann.de